Auszug aus Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien. Donauschwäbische Kulturstiftung (Hg.) Band I.- München/Sindelfingen 1991. S.262
Ergänzung zum Bericht von Lorenz Menches nach einem Bericht von Josef Neidenbach
Beim Einmarsch der deutschen Truppen gab es keine Kampfhandlungen. Das jugo-
slawische Heer flüchtete panikartig. Die deutschen Soldaten wurden herzlich emp-
fangen. Die Menschen atmeten erleichtert auf. Die Männer, die beim jugoslawischen Militär waren, kamen wieder nach Hause. Von den serbischen Behörden blieb nur der Eisenbahnstationschef. Die deutsche Sprache wurde als Staatssprache neben der serbischen zugelassen. Bis dahin war nur Serbisch Staatssprache.
Die Lazarfelder Einwohner hatten im Ersten Weltkrieg von der Altruistenbank ca.
2000 Joch Ackerboden gekauft. Durch die Kriegswirren konnten sie bis 1918 nicht
im Grundbuch eingetragen werden. Der neue jugoslawische Staat hat diese Felder
enteignet und an seine Dobrovolzen (Gutgesinnten) verteilt. Die Bauern, die ihre
bezahlten Felder verteidigen wollten, wurden fürchterlich mit Knüppel und Stöcken
zugerichtet, so daß einige ärztlich behandelt werden mußten. Auch Schüsse sind
dabei gefallen. Von der Gendarmerie fehlte jede Spur. Nach der Besetzung durch
deutsche Truppen 1941 bekamen die Bauern ihre Felder als ins Grundbuch eingetragene Eigentümer wieder.
Unser Dorf war eine rein deutsche Gemeinde mit 2210 Einwohnern. Der Anteil
der anderen Nationen beschränkte sich auf die Behörden: der Notar (Gemeindese-
kretär), der Militärreferent, der Polizeichef, die Postamtsleiterin, ein Polizist und der
Bahnhofsvorsteher. Alle waren Serben, deren Verhalten zur Bevölkerung als ein-
wandfrei zu bezeichnen ist. Eine Ausnahme bildete nur die Leiterin des Postamtes,
die Chauvinistin war. Es gab kaum Anlässe zu einer Konfrontation, weil sich die
Bevölkerung des Ortes bemühte, Recht und Ordnung einzuhalten. „Volks- und
staatstreu“ war die Devise der Donauschwaben. Außer den oben Angeführten gab es noch Bedienstete in der Landwirtschaft Ungarns und Rumäniens, die nicht zur
Bevölkerung zählten, weil ihre Aufenthaltsdauer höchstens ein Jahr betrug.
Es gab in unserem Ort keine Außeinandersetzungen mit Andersnationalen wie in
Ortschaften mit gemischter Bevölkerung. Nur wenige unserer Einwohner beherrschten die Staatssprache (Serbisch). So hatten unsere jungen Männer als jugoslawische Soldaten und die Anderen bei Behördengängen ihre liebe Not. Die Beamten wollten oder konnten nicht deutsch sprechen.
Das wurde ihnen auch 1944-45 bei der Deportation zum Verhängnis, obwohl ich
glaube, daß auch eine bessere Verständigungsmöglichkeit an der Katastrophe nichts geändert hätte. Der Haß der kommunistischen Partisanen gegen Deutsche, weil sie als reich galten, war zu groß.
Der Balkanfeldzug April 1941
Nachdem in Belgrad die deutschfeindliche Regierung mit Parolen „Bolje Tat nego
Pakt“ (Besser Krieg als der Pakt) begann, nahm das Unheil seinen Lauf. Die Behör-
den und die Bevölkerung im Ort verhielten sich ruhig. Die deutschen Männer folgten
ausnahmslos der Einberufung zum jugoslawischen Militär. Desertiert ist keiner.
Bei Kriegsbeginn kamen zwei Gendarmen und nahmen 18 Personen als Geiseln.
Diese wurden in die Festung Peterwardein gebracht und mußten bis zu ihrer Einbe-
rufung durch Amtswalter des Kulturbundes unter menschenunwürdigen Verhältnis-
sen leben. Die zweite Maßnahme ist gescheitert. Alle Männer wurden durch den Trommler (Bekanntmacher durch Trommelschlag in jeder Ecke des Dorfes) aufgerufen, sich vor dem Gemeindehaus zu versammeln. Angeblich sollten sie mit dem Zug abtransportiert werden. Dazu kam es aber nicht.
Am 1. Oktober 1.944 gegen 13 Uhr kamen die Russen in unser Dorf. Die Bevölke-
rung verhielt sich ruhig. Sie war sich keiner Schuld bewußt, denn jeder, an seiner
Stelle, tat nur seine Pflicht. Viele glaubten, es ginge so wie bei der Besetzung durch die Serben nach dem Ersten ‚Weltkrieg. Unser Dorfarzt und Kreisleiter Dr. Zwirner und Peter Rasimus, der in Urlaub war, sind noch geflüchtet.
Die Russen beschlagnahmten alle Pferde und Wagen. Die deutschen Truppen, die
in Betschkerek stationiert waren, griffen in der Ortschaft die Russen an. Auch
deutsche Flieger beteiligten sich am Kampf. Dadurch wurde die Dorfhälfte Richtung
Betschkerek sehr in Mitleidenschaft gezogen. In den Kirchturm schlugen drei Granaten ein. Die Leute flüchteten in die andere Dorfhälfte und verbargen sich, so gut es ging, in Kellern. In der Nacht kamen auch noch Panzer und verdrängten die Russen fast aus dem Dorf. Die Hoffnung für viele, die noch flüchten wollten, erfüllte sich leider nicht, denn im Morgengrauen zogen sich die deutschen Truppen zurück. Nur Josef Menches, Josef Schneider, Josef Schmid und seine Frau konnten mit den deutschen Truppen flüchten.
Jetzt begann das große Elend. Wir mußten die Toten, alles Zivilpersonen, zusam-
menführen und beerdigen. Mathias Jerch und die Pfarrwirtschafterin war unter den
Toten. Aber nicht nur die Menschen mußten beerdigt werden. Es gab auch viele
Pferde, die beseitigt werden mußten. Nicht nur im Ort, sondern auch in den umlie-
genden Feldern gab es viele tote Menschen und Tiere. Die Räumung war eine
schreckliche Angelegenheit.
Waren es bisher nur Russen, so kamen jetzt auch die Partisanen. Sofort begannen
die Erschießungen. Hingerichtet wurden: Ludwig Schmid, Nikolaus Pfend; Urlauber
wurden imZimmer von einem russischen Offizier erschossen; Johann Merkler, auch
Urlauber, wurde in seinem Garten erschossen; es folgte Peter Zimmermann. Niko
laus Schneider wurde erschossen, weil er ein Bild von seinem Stiefsohn als Unteroffizier bei sich hatte. Ebenso erschossen sie drei junge Burschen von 16-17 Jahren (Heimdienstschützen). Auf dem Grundstück von Apolonia Brem (Kenderesch) wurden drei weitere junge Heimatschützen erschossen aufgefunden. Dies alles geschah ohne Kampfhandlungen oder Gerichtsurteil. Auf der Straße nach Betschkerek fand man die Leichen von drei Männern aus der Nachbargemeinde Stefansfeld erschossen. Diese waren geflüchtet und wollten anscheinend zurück zu ihren Familien. Auch auf der Straße nach Siegmundfeld wurden zwei Leichen aus der Nachbargemeinde Ernsthausen gefunden.
Dies war nur der Anfang der geplanten Vernichtung aller Deutschen. Es sollte
noch schlimmer kommen. Es begannen die Denunziationen der andersnationalen
(Ungarn und Rumänen) landwirtschaftlichen Dienstboten. Viele glaubten, sie könn-
ten sich, wenn die Deutschen vernichtet wären, deren Besitz aneignen. Mit Hilfe der Partisanen und Russen plünderten und schlugen sie ihre früheren Arbeitgeber. Mancher Großbauer mußte unter der Knute seines früheren Bediensteten Feldarbeiten verrichten.
Am 28. Oktober 1944 wurden von den Partisanen 42 Männer nach Betschkerek
ins Lager gebracht. Von denen wurden sofort 13 erschossen.
Später wurden noch vier Landsleute von einem ungarischen Polizisten angezeigt
und nach Betschkerek gebracht. Es waren dies: Johann Kolinger, Friedrich Alt-
mayer, Nikolaus Rausch. Von denen blieb nur Friedrich Rindschenk am Leben.
Friedrich Altmeyer, 20 Jahre alt, wurde erschossen, weil er zu schwach zum Arbei-
ten war. Schwer mißhandelt wurde der frühere Bürgermeister Ludwig Massong. Er
mußte von seiner Frau im Handwagen nach Hause gebracht werden. Am nächsten
Tag wurde auch er nach Betschkerek gebracht. Auch Peter Brehm wurde von seinem landwirtschaftlichen Arbeiter (Ungar) schwer mißhandelt. Etwas später wurden wieder 15 Mann nach Betschkerek ins Lager gebracht. Bei ihrer Ankunft wurden sie fürchterlich verprügelt. Die meisten sind an den Folterungen gestorben.
Unterdessen gingen die Vergewaltigungen und Morde im Dorf weiter. So wurde
die Mutter des Verfassers dieser Zellen, Barbara Neidenbach, die bettlägerig war,
vergewaltigt. Weil sie sich wahrscheinlich gewehrt hat, wurde sie halb totgeschlagen und in den offenen Brunnen geworfen. Dort fanden sie mein Vater und meine Frau, als sie abends zurückkamen. Sie hatten sich tagsüber in den Maisfeldern versteckt. Meine Nachbarin Rosalia Weber (Gruwl Rosi), ein hübsches 18jähriges Mädchen, wurde ebenfalls von russischen Soldaten vergewaltigt. Als ihre Mutter sie mit der Mistgabel schützen wollte, wurden beide erschlagen und auf den Misthaufen geworfen.
Thomas Gali wollte seine Frau Katharina und seine beiden Töchter vor Schändun-
gen retten. Sie versteckten sich im Strohschober. Als sie der Aufforderung der Partisanen und Russen, herauszukommen, nicht Folge leisteten, wurde der Strohschober angezündet. Vater und Töchter verbrannten bei vollem Bewußtsein. Nur seine Frau Katharina rettete sich nackt, mit brennenden Restkleidern.
Hier habe ich nur einige gravierende Fälle geschildert. Es würde zu weit führen,
alle Grausamkeiten aufzuführen. Die Mädchen und jungen Frauen haben ihre Ge-
sichter mit Ruß und Kuhdreck verschmiert, sich alte Lumpen angezogen um der
Vergewaltigung zu entgehen.
Am 1. Weihnachtstag und an Silvester 1944 wurden ca. 140 Frauen und 14
Männer in Viehwaggons gepfercht und nach Rußland zur Zwangsarbeit deportiert.
Dort wurden sie in Baracken untergebracht und mußten im Kohlebergbau unter
Tage schwerste Schichtarbeit leisten. Die Verpflegung war kärglich, so daß viele
ausgemergelt gestorben sind. Diejenigen, die nach drei Jahren zurückgekommen
sind, leiden zum Großteil heute noch an den Folgen.
Im Februar 1945 wurden wieder 10 Männer nach Betschkerek ins Lager transpor-
riert. Ihr Schicksal glich dem der Anderen. Sie wurden verprügelt, gefoltert; sie
haben diese Tortur nicht überlebt.
Im November 1944 wurden die übriggebliebenen deutschen Einwohner aus
Betschkerek in die Dörfer Lazarfeld, Sigmundfeld und Ernsthausen gebracht und in
unseren Häusern zusammen mit uns untergebracht. Es hat kaum noch Männer
gegeben. Die wurden alle bei dem großen Massaker umgebracht. Alle Frauen wurden wie Tiere zur Feldarbeit getrieben. Das hatte aber auch seine guten Seiten, denn sie konnten sich, durch Stehlen von Mais, Zuckerrüben usw.,
einigermaßen ernähren.
Am 18. April 1945 wurden alle Einwohner des Dorfes in Gasthäusern und Schu-
len sowie in einigen Privathäusern zusammengetrieben. Niemand durfte etwas mit-
nehmen. Wer dennoch etwas dabeihatte, dem wurde es weggenommen, und außerdem wurde er fürchterlich verprügelt.
Die schwere Feldarbeit aber ging gruppenweise weiter. Den Mädchen wurden die
Haare abgeschnitten. War das Dasein – Leben konnte man es nicht nennen – bis dahin noch einigermaßen zu ertragen, jetzt wurde es immer unerträglicher.
Am 21.August kamen die ersten 90 Personen über Betschkerek in das Vernich-
tungslager Rudolfsgnad. Ihnen folgten in Abständen größere Gruppen auch in an-
dere Lager ähnlicher Art, bis das ganze Dorf geräumt war. Was sich in Rudolfsgnad
alles abspielte, ist mit Worten kaum zu beschreiben. Die Ernährung wurde noch
schlechter. Von sanitären Einrichtungen keine Spur. Die Menschen starben an Un-
terernährung. Sie wurden ieden Morgen von einem Pferdewagen, als Leichen, abgeholt und am Rande des Dorfes in Massengräber verscharrt. Die ersten Opfer waren kleine Kinder und ältere Menschen. Aber auch die Jüngeren waren auf die Dauer zu schwach geworden, um durchzuhalten. Maisschrot war die Verpflegung. Die jüngeren Frauen, auch die Frau des Schreibers dieser Zeilen, kletterten auf die Maulbeerbäume, um Früchte für ihre kleinen Kinder zu pflücken, um sie am Leben zu halten.
Für die noch Überlebenden kam dann 1947-48 die Erlösung. Sie wurden nach
Serbien in Fabriken zur Arbeit zwangsverpflichtet. Dort hat sich das Leben normali-
siert. Aber was diese geschundenen Menschen damals als normal empfunden haben, ist mit heutigen Maßstäben nicht zu messen. Fast alle heute noch Lebenden leiden mehr oder weniger an den Folgen der damaligen Zeit. Eltern suchen heute noch ihre Kinder, die ihnen weggenommen und als Kleinkinder in besondere Lager gebracht wurden, wo sie als Jugoslawen aufgewachsen sind. Es wird nie zu klären sein, ob nicht ein jugoslawischer Gastarbeiter, der nach Deutschland kommt, ein Kind deutscher Eltern ist. Das war das Ende einer über 150 Jahre blühenden Gemeinde und ihrer Einwohner.
Nachtrag: lm Zweiten Weltkrieg sind 211 Männer gefallen oder vermißt. Das
sind 10% der Gesamtbevölkerung unseres Dorfes. Sie wollten keine Helden sein,
sondern mußten Befehlen gehorchend ihr Leben lassen.
Der Verfasser dieses Berichtes hat diese Zeilen nicht geschrieben, um Haß zu
erzeugen, sondern um der Nachwelt zu dokumentieren, wie ein fleißiges, braves
Volk systematisch vernichtet wurde. Vielleicht dient diese objektive Darstellung
einer ehrlichen Geschichtsschreibung, um die einseitigen Lügen der Kommunisten
zum Einsturz zu bringen. Es ist mir unverständlich, wie Bestien in Menschengestalt
zu solchen Untaten fähig waren.
Ich habe mit den Jugoslawen zusammen das serbische Gymnasium besucht. In einer Klasse waren Serben, Kroaten, Ungarn, Rumänen, Juden und Deutsche. Es gab keine nationalen Schwierigkeiten. Auch die Zusammenarbeit am Arbeitsplatz verlief, zu meiner Zeit, reibungslos. Was ich aber nicht verstehen kann: Wo sind denn die humanitären Organisationen wie das Internationale Rote Kreuz geblieben? Dieser Völkermord kann ihnen doch nicht verborgen geblieben sein. Oder hat man absichtlich keinen Finger gerührt, weil es ja nur „Deutsche“ waren. Der Aufruf des sowjetischen Kriegspropagandisten llija Ehrenburg: „Vergewaltigt und schändet alle deutschen Frauen. Tötet sie samt ihren Kindern im Mutterleib!“ kann doch nicht ungehört geblieben sein. Sein Glaubensgenosse Moise Piade von den jugoslawischen Partisanen hat diesen Aufruf durch seine entmenschten Schurken durchführen lassen. Wir noch Lebenden können den Peinigern vielleicht verzeihen; aber vergessen können wir nicht.
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